Thermoelectric Properties of Boron-Rich Solids and their Possibilities of Technical Application
(paper presented at the
25th International Conference on Thermoelectrics
August 6 - 10, 2006
Vienna, Austria)
Vorläufige Konzeption eines Projektes
zur
Entwicklung von thermoelektrischen Generatoren aus Borverbindungen
1. Einleitung
Unmittelbare Zielvorstellung des im folgenden skizzierten Projektes ist es, die materialtechnischen und fertigungstechnischen Voraussetzungen zu schaffen, um den steigenden Bedarf an elektrischer Energie in Kraftfahrzeugen durch thermoelektrische Generatoren sicherzustellen. Die erforderliche thermische Energie soll direkt durch Verbrennung von Treibstoff erzeugt werden, wie dies z.B. in kommerziell verfügbaren Standheizungen geschieht. Voraussetzung für eine ökonomisch vertretbare Realisierung dieser Zielvorstellung sind thermoelektrische Seebeckelemente aus Materialien, die bei den durch Treibstoffverbrennung entstehenden hohen Temperaturen sinnvoll eingesetzt werden können. Dies setzt grundsätzlich folgende Eigenschaften der verwendeten Materialien voraus:
-
hinreichend hohe Schmelzpunkte
-
hinreichende Resistenz gegen Korrosion bei den hohen Temperaturen
-
dass sie sich als Halbleiter bei den hohen Temperaturen nicht im Bereich der Eigenleitung befinden, da diese einen ökonomisch sinnvollen Einsatz ausschließt
Es sei darauf hingewiesen, dass
derartige thermoelektrische Generatoren auch in anderen Bereichen
sinnvoll eingesetzt werden können. Damit könnte sich ein Absatzmarkt
erschließen, der weit über den KFZ-Bereich hinausgeht.
Beispiele solcher
Einsatzbereiche sind:
-
Recycling von Abwärme in Industriefirmen
z.B. heiße Abgase in Schornsteinen
z.B. Abwärme bei der Stahlproduktion
-
Netzunabhängiger Betrieb von Gas- und Ölheizungen
-
Zuverlässige Umwandlung von Solarenergie durch Ersetzen der mechanisch empfindlichen Solarzellen
z.B. elektrische Stromversorgung in abgelegenen Gebieten mit hoher Sonneneinstrahlung,
z.B. zuverlässiger netzunabhängiger Betrieb von Wasserentsalzungsanlagen
-
Temperaturmesssonden zum Einsatz bei sehr hohen Temperaturen in agressiver chemischer Umgebung oder unter starker mechanischer Belastung.
2. Eigenschaften borreicher
Materialien
Aufgrund ihrer
Strukturvielfalt stellen die borreichen Festkörper eine in der Natur
einzigartige Klasse von Festkörpern dar. In einem sonst nirgendwo
auch nur annähernd vergleichbaren Umfang ist hier die Beeinflussung
der elektronischen und sonstigen Eigenschaften durch Wahl der
Strukturfamilie, Wahl der geeigneten Verbindung innerhalb der
Strukturfamilie, Veränderung der chemischen Zusammensetzung in zum
Teil großen Homogenitätsbereichen, Bildung ternärer und quaternärer
Verbindungen sowie Dotierung durch Substitution und Einbau von
Fremdatomen auf Zwischengitterplätzen möglich, wobei die sehr
günstigen grundlegenden Eigenschaften dieser Festkörper weitgehend
unverändert erhalten bleiben.
Folgende solcher grundlegenden
Eigenschaften der borreiche Festkörper mit Ikosaederstrukturen sind
für thermoelektrische Anwendungen von besonderer Bedeutung:
-
hohe Schmelzpunkte (2000 - 3000K); z.B. Borkarbid 2900K,
-
große Härte; bei Raumtemperature 2000 - 4500 kp/mm2; b-rhomboedrisches Bor ist das härteste kristalline Element nach dem Diamanten, und Borkarbid ist nach Diamant und kubischem Bornitrid der dritthärteste Festkörper überhaupt,
-
geringe Dichte, z.B. Borkarbid 2.5 gcm-3,
-
kleine thermische Ausdehnungskoeffizienten; z.B. Borkarbid a = 5.73 % 10-6 K-1,
-
hohe chemische Resistenz, dadurch geringe Korrosion
Diese Eigenschaften erlauben den
Einsatz der borreichen Festkörper unter Extrembedingungen, die für
sehr viele andere technisch genutzte Materialien nicht zugänglich
sind.
Die elektronischen Eigenschaften aller
ikosaedrischer borreicher Festkörper sind eng miteinander verwandt,
da sie in allen Fällen weitgehend durch die periodisch angeordneten
Ikosaeder bestimmt werden. Daher können Erkenntnise aus einer
Strukturfamilie, wenn auch mit gewissen Einschränkungen, auf andere
Strukturfamilien übertragen werden. Generell bedeutet dies in
Hinblick auf technische Anwendungen, dass mit Hilfe der oben
genannten strukturellen Variationsparameter ein großes Spektrum von
Möglichkeiten existiert, um die borreichen Festkörper für den
Einsatz unter speziellen Bedingungen zu optimieren. Im Hinblick auf
das hier skizzierte Projekt wird dadurch die systematische
Untersuchung zur Verbesserung etwa der thermoelektrischen
Eigenschaften erleichtert und der Umfang solcher Untersuchungen
beträchtlich reduziert.
Der Wirkungsgrad eta der
thermoelektrischen Seebeckelemente wird bestimmt durch
mit
und
und setzt für einen großen
Wirkungsgrad gemäß dem ersten Faktor, der dem theoretisch maximal
möglichen Carnotschen Wirkungsgrad entspricht, eine möglichst hohe
Temperaturdifferenz zwischen heißer und kalter Seite voraus. Der
zweite Faktor wird durch die in der Größe z zusammengefassten
relevanten Materialeigenschaften bestimmt, von denen der
Seebeckkoeffizient S quadratisch und die elektrische Leitfähigkeit s
sowie die Wärmeleitfähigkeit k jeweils linear eingehen.
Besonders wichtig ist somit neben dem
hohen Schmelzpunkt von Borkarbid, dass sein Seebeck-Koeffizient bis
zu Temperaturen von 2000 K (bisherige Messgrenze) und wahrscheinlich
sogar noch darüber hinaus monoton ansteigt. Borkarbid ist somit der
einzige bisher bekannte Halbleiter, bei dem bis zu derart hohen
Temperaturen noch keine Eigenleitung auftritt. Im Bereich der
Eigenleitung kompensieren sich bei den meißten Halbleitern die
Seebeck-Effekte von Elektronen und Defektelektronen weitgehend, so
dass eine ökonomische thermoelektrische Nutzung praktisch
ausscheidet. Borkarbid ist daher das derzeit einzige Material,
welches einen sinnvollen Einsatz als thermoelektrisches Element bei
hohen Temperaturen zulässt und damit eine wichtige Voraussetzung für
einen hohen Wirkungsgrad solcher Elemente bietet.
Borkarbid weist einen beträchtlichen
Homogenitätsbereich von B4.3C bis etwa B12C
auf. Während der Seebeck-Effekt nach bisheriger Kenntnis nur wenig
von der chemischen Zusammensetzung abweicht, hat die elektrische
Leitfähigkeit ihr Maximum bei der gleichen Zusammensetzung von etwa
B13C2, bei
der die Wärmeleitfähigkeit ihr Minimum besitzt, also eine ideale
Kombination dieser für thermoelektrische Anwendungen relevanten
Eigenschaften.
Eine Abschätzung des Wirkungsgrades, der
mit borreichen Festkörpern wahrscheinlich erreichbar sein kann, läßt
sich mit folgenden bereits konkret vorliegenden eigenen Meßdaten der
thermoelektrisch relevanten Eigenschaften des Borkarbid vornehmen:
Seebeck-Koeffizient (Al-dotiertes
Borkarbid): S = 440 mVK-1
Elektrische Leitfähigkeit (B13C2):
sigma = 400 W-1 cm-1
Wärmeleitfähigkeit (B13C2):
kappa = 0.02 Wcm-1 K-1
Legt man für die Arbeitstemperaturen auf
der Hochtemperaturseite den für technische Anwendungen in vielen
Fällen wohl realistischen Wert Thoch = 2000 K
(Schmelzpunkt 2900 K, so dass im Prinzip problemlos auch noch höhere
Temperaturen bis etwa 2700K möglich wären) und auf der
Tieftemperaturseite Ttief = 300 K zugrunde, ergibt sich
gemäß den obigen Formeln für die Wirkgröße
z = 0.0039
und für den
Wirkungsgrad
eta = 0.41
der bereits in
die Nähe des Wirkungsgrades von technisch ausgereiften Kraftwerken
(h » 0.45) liegt. Allerdings ist drauf hinzuweisen, dass dieser für
Borkarbid abgeschätzte Wert unter der gegenwärtig noch nicht
gegebenen Voraussetzung errechnet wurde, dass p-leitendes Borkarbid,
für das die oben genannten Messwerte gelten, in den zu
konstruierenden Seebeck-Elementen mit einem n-leitenden Material
sonst gleicher Eigenschaften kombiniert werden kann. Außerdem müssen
bei der technischen Realisierung wahrscheinlich Abstriche gegenüber
dem theoretischen Wert in Kauf genommen werden. Allerdings liegt der
Wirkungsgrad um fast eine Größenordnung über dem der bisher
benutzten thermoelektrischen Materialien (z.B.
Germanium-Silizium-Mischkristalle und Wismut-Antimon-Telluride), so
dass auf jeden Fall mit einer sehr beträchtlichen Steigerung des
Wirkungsgrades gegenüber diesen Materialien gerechnet werden kann.
Im Hinblick auf den zukünftigen
technischen Einsatz von Seebeckelementsystemen aus borreichen
Festkörpern sind folgende Vorteile zu erwähnen, die höchstens mit
Einschränkungen auch Systemen aus anderen Halbleitern zugeschrieben
werden können:
-
keine mechanisch beweglichen Teile und daher praktisch kein Verschleiß
-
höchste Zuverlässigkeit
-
extrem reduzierte Wartungsosten
-
lange Lebensdauer der Systeme
-
kaum Einschränkungen hinsichtlich Ort, Temperatur und Umgebungsbedingungen für den
Einsatz
Derzeitiges grundlegendes Problem
der thermoelektrischen Anwendung der borreichen Festkörper ist es
also, daß diese im reinen Zustand fast generell p-leitend sind. Für
einen großen Wirkungsgrad sind jedoch p- und n-leitende Schenkel der
Seebeckelemente mit sonst möglichst gleichen Eigenschaften
erforderlich. Neben der Optimierung der thermoelektrischen
Eigenschaften des p-leitenden Borkarbid muß somit ein wesentliches
Ziel des Projektes sein, ein entsprechendes n-leitendes Material zu
entwickeln. Wegen der generellen Erfordernisse der Seebeckelemente
sollte es ansonsten dem Borkarbid möglichst ähnliche Eigenschaften
aufweisen. Es bietet sich daher unbedingt an, die Lösung dieses
Problems im Bereich der borreichen Festkörper zu suchen. Hierzu gibt
es bereits konkrete Lösungsansätze: Zum Beispiel:
beta-rhomboedrisches Bor lässt sich mit einigen Übergangsmetallen
n-dotieren. Günstigstes Dotierungselement ist nach dem derzeitigen
Kenntnisstand Vanadium, welches einen monoton mit der Temperatur
ansteigenden Seebeck-Koeffizienten hervorruft. Zwar ist die
bisherige Messgrenze bei etwa 800 K, doch lässt die derzeitige
Kenntnis der elektronischen Eigenschaften erwarten, dass sich dieses
Verhalten wie bei Borkarbid bis zu wesentlich höheren Temperaturen
hin fortsetzt. Weiterhin wurden in der Gruppe der orthorhombischen
Boride Vertreter mit hohen negativen Seebeck-Koeffizienten gefunden.
Weitere Strukturfamilien bieten sich ebenfalls an.
Als n-leitende Borverbindungen wurden kürzlich nachgewiesen:
Metall-Hexaboride (M. Takeda, T. Fukuda, F. Domingo, T. Miura, J. Solid State Chem. 177 (2004) 471), davon im detail untersucht CaB6, SrB6, BaB6 (Takeda, Terui, Takahashi, Ueda, 15th Int. Symp. boron, borides aned Related Compounds, Hamburg, 2005),
HoB17CN,
YB22C2N, ErB22C2N,
LuB22C2N (T.
Mori, T. Nishimura,
15th Int. Symp. boron, borides aned Related Compounds, Hamburg, 2005)
3. Ziele des Projektes
Zusammengefaßt
sind die Ziele im Rahmen des Projektes:
1. Verbesserung der thermolektrischen
Eigenschaften des Borkarbid
2. Auffinden bzw. Entwickeln
geeigneter n-leitender Borverbindungen.
Aus derzeitiger Sicht sollten sich die
Untersuchungen im Projekt auf folgende Materialgruppen borreicher
Festkörper konzentrieren:
a) p-leitend;
Ziel: systematische weitere Verbesserung der thermoelektrischen
Eigenschaften durch Strukturmodifikationen, Entwicklung geeigneter
ternärer Verbindungen (bereits erste positive Ergebnisse mit Si and
Al, die gegenüber reinem Borkarbid einen um ca. 20% höheren
Seebeck-koeffizienten hervorrufen)
b) Ziel: Erzeugung von n-leitendem
Borkarbid (als aussichtsreiche Dotierungselemente für erste Versuche
erscheinen derzeit die vom beta-rhomboedrischen Bor bekannten
Elemente Fe und V)
2. Metall-Hexaboride.
CaB6, SrB6 BaB6 weisen negative bis zu Temperaturen von über 1000 K monoton ansteigende Seebeck-Koeffizienten auf mit Maximalwerten von etwa -280 bzw. -140 bzw. -80 microV/K auf [Zitat].
3. Komplexe Borverbindungen des Typs REB17CN und REB22C2N.
Es wurden p- und n-leitende Verbindungen gefunden. Bei den n-leitenden Verbindungen wurden monoton ansteigende Seebeck-Koeffizienten bis zu Temperaturen von über 1000 K gemessen (Maximalwerte je nach Verbindung etwa -20 bis etwa -60 microV/K) [Zitat]..
4. beta-rhomboedrisches Bor:
Ziel: n-Leitung
durch Zwischengitterdotierung (bereits positive Ergebnisse mit Fe
und insbesondere V, das zu einem bis 700 K (bisherige Meßgrenze)
monoton ansteigenden Seebeck-Koeffizienten führt.
5. orthorhombische Boride:
Ziel: n-Leitung
(bereits positive Ergebnisse mit ErAlB 14 und
insbesondere MgAlB14, welches einen extrem hohen
negativen Seebeck-Koeffizienten aufweist; der Temperaturgang ist
allerdings bisher nicht untersucht).
6. tetragonales Bor (beta-AlB12):
Ziel: Entwicklung
neuer borreicher thermoelektrisch günstiger Materialien.
Einbaumöglichkeit von Übergangsmetallen in die Struktur (V und Ti)
mit Beeinflussung der elektronischen Eigenschaften bereits
nachgewiesen. Austauschmöglichkeit von Aluminiumatomen durch
Siliciumatomen in der Strukturmit Beeinflussung der elektronischen
Eigenschaften nachgewiesen. Atomarer Austausch von Bor durch
Kohlenstoff und Stickstoff nachgewiesen; Einfluss auf die
elektronischen Eigenschaften erwartet.
7. alpha-AlB12 und gamma-AlB12:
Ziel:
Entwicklung neuer borreicher thermoelektrisch günstiger
Materialien (andere Grundstruktur als bei dem unter 4) genannten
tetragonalen Bor und damit abweichende Beeinflussung der
elektronischen Eigenschaften durch Einbau gleicher
Dotierungselemente).
8. SiB6:
Bei Verbindungen
dieses Typs sind Silicium-Atome auch in die Ikosaeder eingebaut. Die
hohe Temperaturbeständigkeit ist bekannt. Ein Einfluss auf die
elektronischen Eigenschaften ist wahrscheinlich.
9. ScB12:
Borreiche Festkörper mit Grundstrukturen aus anderen Borpolyedern (hier: Kubooktaeder). Ziel: Überprüfung der thermoelektrischen Eigenschaften von borreichen Festkörpern mit dieser Polyederstruktur. Das konkret genannte ScB12 scheint gute Voraussetzungen zu bieten.